Schweizer Gewässerschutz

Die historische Entwicklung des Schweizer Gewässerschutzes seit 1800

Die Zeitleiste zeigt vier Handlungsstränge aus gesellschaftspolitischer, technischer, ökologischer und Akteurs-Perspektive, welche die Schlüsselelemente im Bereich des Schweizerischen Gewässerschutzes seit 1800 illustrieren. Sie basiert auf Experteninterviews und einer umfassenden Literaturrecherche.

1800-05-01 06:22:55

Hochwasser im frühen 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert kam es in der Schweiz zu mehreren extremen Überschwemmungen, die Infrastruktur, Häuser und Lebensgrundlagen im ganzen Land beschädigten oder zerstörten.

1800-05-31 00:00:00

Erklärungen für Hochwasser

Nach der damaligen Literatur variierten die Erklärungen für Überschwemmungen und andere Katastrophen von religiösen Überzeugungen bis hin zu naturbezogenem Verständnis.

1800-06-01 00:00:00

Heilquellen und Bäder

Bäder und Kurorte wurden immer beliebter und galten als höchst gesundheitsfördernd. Insbesondere die Oberschicht verbrachte dort gerne ihre Freizeit und nutze die Orte auch für den sozialen Austausch.

1800-12-31 00:00:00

Flösserei im 19. Jahrhundert

Die Holzflößerei war zu dieser Zeit die hauptsächliche Transportart von Holz in der Schweiz: Mehrere Stämme wurden zu einem Floß zusammengebunden und auf dem Wasserweg verschifft. Diese Praxis und die Abholzung selbst verursachten jedoch verschiedene negative Auswirkungen und wurden daher im Laufe der Zeit zunehmend kritisiert und reguliert.

1807-03-01 04:53:48

Gründe für die Linthkorrektur

Die Veränderungen des natürlichen Flusslaufs und die Ansammlung von Geschiebe in der Linth beeinträchtigten zunehmend die Lebensgrundlagen der Menschen: Infrastrukturen und landwirtschaftliche Flächen wurden durch Überschwemmungen zerstört und Sümpfe entstanden. Flecktyphus und Wechselfieber verbreiteten sich in der Region. Wie in vielen anderen Fällen in der Schweiz wurde eine Flusskorrektur in Angriff genommen, um die Probleme zu lösen.

1807-07-01 00:00:00

Technische Details der Linthkorrektur

Unter der Leitung des Politikers Hans Konrad Escher von der Linth wurde die Linth kanalisiert und über den Walensee umgeleitet. Das beispielhafte Wasserbauprojekt galt zu seiner Zeit als eine der grössten Wohltaten und rettete die Bevölkerung der Region und ihre Lebensgrundlagen aus der verzweifelten Lage.

1823-01-01 00:00:00

Erstes Dampfschiff auf dem Genfersee

Seen und Flüsse wurden hauptsächlich als Transportmittel für die Schifffahrt genutzt. Mit dem technischen Fortschritt fuhr ab 1823 das erste Dampfschiff der Schweiz namens Guillaume Tell auf dem Genfersee (BWG 2003: 20).

1823-03-09 00:13:33

Gründung des Linthwerks

Das Linthwerk besitzt eine lange Geschichte, die bis in die Zeit der Französischen Revolution zurückreicht. Gebaut wurde das Linthwerk zwischen 1807-1823 unter der Leitung von Hans Konrad Escher. Als Escher 1823 starb, war «sein» Linthwerk aber noch nicht vollendet. Die Kantone übernahmen den weiteren Ausbau. Heute ist das Linthwerk einem Konkordat der vier Kantone Glarus, Schwyz, St. Gallen und Zürich unterstellt.

1825-05-01 21:28:58

"Kranke" eutrophierte Seen

Da immer mehr Seen in der Schweiz unter Eutrophierung litten, stieg das gesellschaftliche Bewusstsein für den verschmutzten Zustand der Schweizer Gewässer.

1840-07-01 02:41:23

Verschmutzende Textilindustrie

Mit dem Boom der Seidenproduktion in der Schweiz während der Industrialisierung nahm die Gewässerverschmutzung durch unbehandelte Fabrikabwässer deutlich zu.

1840-10-01 17:53:34

Europäische Hygiene-Bewegung

Die Bewegung setzte sich für verbesserte Hygiene und sanitäre Bedingungen in europäischen Städten ein. Dadurch steigerte sie auch den Reformdruck für den Bau von Abwassersystemen gegen die Ausbreitung von Krankheiten.

1843-01-01 00:00:00

Erste private Wasserversorgung

Die ersten privaten Wasserversorgungssysteme basierten 1843 auf einem Radsystem, das Rohrleitungen mit 24 Springbrunnen verband. Es wurde in Genf betrieben. Später im Jahr 1850 begann der Bau der ersten Wasserversorgungssysteme, die als Netze gebaut wurden. Dies führte zur Anwendung der ersten industriell gefertigten Rohre zur Entwässerung (BWG 2003: 20).

1848-05-01 21:28:58

Wachsende Solidarität nach Hochwassern

Seit der Gründung des Schweizerischen Bundesstaates (1848) trugen nationale Solidaritätsbewegungen als Reaktion auf die zahlreichen Überschwemmungen zum institutionellen Lernprozess hinsichtlich der Prävention solcher Ereignisse bei (Zaugg Stern 2006: 80).

1853-01-01 12:21:48

Gründung der poly-technischen Institute

Durch die Förderung von Forschung und Wissen auf dem Gebiet der Wasserbautechnik trugen die polytechnischen Institute zum Aufbau der heutigen Wasserinfrastruktur bei.

1854-01-10 06:22:55

Cholera- und Typhus-Ausbrüche

Während dieser Zeit wurden in Zürich die ersten Ausbrüche von Cholera und später Typhus beobachtet, was auf die zunehmende Bevölkerungsdichte, Armut und sich verschlechternde sanitäre Bedingungen zurückzuführen war. Die Ausbrüche beschleunigten die städtischen Maßnahmen zur Sanierung des bestehenden Abwassersystems (Neumann et al. 2015: 407).

1854-02-28 12:21:48

Erste epidemiologische Studien

Im Widerspruch zu früheren Überzeugungen konnten Ärzte wie John Snow nun den Zusammenhang zwischen verunreinigtem Trinkwasser und der Verbreitung von Krankheiten wie Cholera und später Typhus nachweisen.

1857-04-01 02:16:57

Erstes Wasserbaugesetz (WBG)

Als eines der ersten Gesetze zur Bewirtschaftung von Gewässern legitimierte das Wasserbaugesetz von 1857 die Korrektur von Flüssen im 19. Jahrhundert.

1860-03-01 04:53:48

Flusskorrekturen im 19. Jahrhundert

Als Reaktion auf die zahlreichen Überschwemmungen in den letzten Jahrzehnten wurden (auch präventiv) viele Flüsse korrigiert.

1863-01-01 00:00:00

Das Eimer-System in Zürich

1863 wurde nach einer Baureform und einer Typhusepidemie in Zürich das erste Abwassersystem eingeführt: Flüssige Abfälle wurden über die Kanalisation abgeleitet, während fester Abfallschlamm in Eimern gesammelt und als Dünger verwendet wurde.

1864-05-13 06:22:55

Arnold Bürkli als Stadtingenieur

Als Stadtingenieur war Bürkli unter anderem für das Abwassersystem in Zürich verantwortlich und führte somit das Eimer-System ein.

1867-03-01 04:53:48

Einführung der Kloakenreform

Die sogenannte "Kloakenreform" in Zürich wurde von den Bürgern angenommen und autorisierte nun die Installation des Eimer-Systems und der Abwasserkanäle nach A. Bürklis Plänen (Neumann et al. 2015: 407).

1867-09-01 19:51:31

Erste Juragewässer-Korrektur

Die Juragewässer-Korrektur ist das grösste Flusskorrektur-Projekt der Schweiz und veränderte die Form verschiedener Gewässer in der Juraregion dauerhaft. Der Eingriff war einer der ersten grossen Akte des neuen Bundesstaates (bzw. des ersten Bundesrates) für den Schutz vor Gewässern und basierte auf der Zusammenarbeit der fünf Kantone Bern, Waadt, Neuenburg, Freiburg und Solothurn.

1867-10-01 23:51:22

Nachhaltige Opposition gegen Juragewässer-Korrektur

Der Politiker U. Ochsenbein plädierte für eine nachhaltigere Juragewässer-Korrektur, um die Torfmoore in der Region zu erhalten.

1868-04-01 13:08:26

Einführung von Wasserversorgungssystemen

Über mehrere Jahrzehnte wurde die Wasserversorgung in immer mehr Schweizer Städten ausgebaut, zuerst vor allem in reicheren Vierteln. Das neue System hatte sowohl Vor- als auch Nachteile im Vergleich zu zuvor.

1868-07-01 00:00:00

Zugang zur Nordsee

Die Unterzeichnung der "Mannheimer Akte" gewährt Schweizer Schifffahrtsgesellschaften bis heute den freien Zugang zur Nordsee (BWG 2003: 20).

1870-01-01 00:00:00

Abnehmende Makrophytenpopulation

Über die nächsten 100 Jahre wurde eine Abnahme von Characeen (bzw. Makrophyten) im Bodensee beobachtet. Verantwortlich für diese Entwicklung war die starke Eutrophierung des Sees (Lang 1968 cit. In Niessen & Sturm 1987: 379).

1873-06-01 19:56:47

Gründung des SVGW

Der Fachverband für Wasser-, Gas- und Fernwärmeversorger repräsentiert unter anderem die Interessen, das Wissen und die Netzwerke der Schweizer Wasserfachleute.

1874-11-13 08:17:56

Staatliche Kontrolle im Wasserbau

Mit der neuen Bundesverfassung wandte der Bund zunehmend das Prinzip der Souveränität auf verschiedene Gebiete der Wasserverwaltung an.

1875-01-01 23:10:49

Erstes Fischereigesetz

Mit dem Fischerei- und Jagd-Artikel 25 BV 1874 wurde das erste Fischereigesetz eingeführt, mit dem Ziel, eine Überfischung zu verhindern: «Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen über die Ausübung der Fischerei (...) zu treffen.» (Bundi 2008: 430)

1878-01-01 00:00:00

Erste Kleinwasserkraftwerke

Im Jahre 1878 wurde das erste (kleine) Wasserkraftwerk in St. Moritz gebaut. Die generierte Elektrizität wurde genutzt um die Lichter im Esssaal des Luxushotels "Kulm" zu betreiben.

1881-03-11 04:53:48

Erstes Zürcher Gewässerschutzgesetz

Nachdem sich die Bewohner ausserhalb Zürichs über die zunehmende Verschmutzung der Limmat beschwerten, wurde das erste kantonale Gesetz gegen Wasserverschmutzung eingeführt. Darin wurde vor allem der Einlass von grösseren Industrieabwässern sowie von gesundheitsschädlichen Substanzen geregelt (Neumann et al. 2015: 409).

1883-08-13 23:47:34

Gründung des SFV

Der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV) wurde von Berufs- und Hobbyfischern gegründet. Die Fischer verlangten einen wirksameren Gewässerschutz, um ihre Lebensgrundlage zu erhalten.

1883-10-01 07:51:57

Einflussreiche, bakter-iologische Studien

Bakteriologische Studien dieser Zeit zeigten eine steigende pathogene Verschmutzung der Schweizer Gewässer, welche vor allem auf die Industrialisierung und die Zunahme von Abwässern zurückzuführen ist.

1885-01-01 00:00:00

Entwicklung eutropher Seen

Forschern gelang eine Rekonstruktion der Eutrophierungs-Geschichte des Baldeggersees, basierend auf einer Analyse der Sedimente im Jahr 1982. Der Zustand des Sees verschlechterte sich ab 1885 über Jahrzehnte durch die Eutrophierung, bis er nach dieser Analyse durch Sauerstoff-Eintrag und Zirkulation "wiederbelebt" wurde.

1885-10-01 17:53:34

Frühe internationale Abkommen

Im Jahre 1885 einigte sich die Schweiz mit Deutschland und den Niederlanden auf eine Regulation der Fischerei im grenzüberschreitenden Rhein. Das Abkommen limitierte die Fangzahlen um die Fischpopulationen aufrecht zu erhalten.

1885-11-01 21:24:35

Gründung des Instituts für Waldforschung (WSL)

In der Geschichte der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) bzw. ihrer Vorgängerinstitute war die forstliche Forschung immer mit dem Bereich Gewässerschutz verbunden. Die Hochwasser-, Schnee- und Lawinenhydrologie sowie die Landschaftsplanung sind zur Schnittstelle zwischen den beiden Forschungsgebieten geworden. Das Institut trägt somit bis heute zum wissenschaftlichen Hintergrund des Gewässerschutzes bei.

1888-03-01 04:53:48

Zweites Fischereigesetz

Die Einführung des zweiten Fischereigesetzes verbot die Wasserverschmutzung durch Industrieabfälle, die die Fisch- und Krebspopulationen in den Flüssen bedrohten. Dieses Gesetz war bis 1953 die einzige gesetzliche Grundlage für den Gewässerschutz in der Schweiz. Aufgrund des ungenügenden Vollzugs durch die zuständigen Kantone hatte das Gesetz jedoch keine Verbesserung der Wasserqualität zur Folge (BAFU 2007: 2).

1888-03-01 04:53:48

Gründung der Zürcher Hygiene Vereinigung

1888 wurde die Hygiene-Vereinigung von Zürich als Folge der internationalen Hygiene-Bewegung gegründet und förderte die Weiterentwicklung des Sanitärwesens in Zürich. Ärzte und Fachleute des öffentlichen Gesundheitswesens wurden zu den neuen einflussreichen Akteuren und Meinungsbildnern (Neumann et al. 2015: 408).

1890-03-01 04:53:48

Elektrifizierung der Schweiz

Vor dem Ersten Weltkrieg wurden innnert kurzer Zeit eine Vielzahl an Wasserkraftwerken gebaut, um die Schweizer Bevölkerung mit Strom zu versorgen. Sowohl die Unabhängigkeit von der ausländischen Energieversorgung als auch die fortschreitende Industrialisierung trieben diese Entwicklung voran.

1891-11-17 00:58:30

Elektrotechnische Ausstellung Frankfurt

Die elektrotechnische Ausstellung demonstrierte den technologischen Fortschritt der damaligen Zeit. Die Übertragung und Veränderung von Strom war ermöglicht worden, und so wurden nun viel mehr Sektoren mit Elektrizität betrieben, die durch Wasserkraft erzeugt wurde.

1898-10-30 23:37:34

Bau von Gross-Wasserkraftwerken

Der Bau des Rheinfeldener Kraftwerks und anderer großer Wasserkraftwerke stieß damals auf verschiedene Herausforderungen: Legitimation der Landenteignung, Widerstand der Fischer und Flößer, technische Probleme und unzureichendes Investitionskapital.

1900-05-01 00:26:28

Erneuerung der Abwasserinfrastruktur

Aus Angst vor Krankheiten, Gerüchen und finanziellen Defiziten wurde die bestehende Abwasserinfrastruktur in verschiedenen Städten erneuert, bzw. abgedeckt und in wasserführende Abwasserkanäle umgewandelt.

1900-05-01 21:28:58

Ausnutzung der Wasserkraft als nationale Pflicht

Die Ausbeutung der Schweizer Gewässer als Elektrizitätsressource wurde zunehmend im populistischen und später nationalistischen Diskurs umrahmt und mit wirtschaftlichem Fortschritt und Unabhängigkeit gleichgesetzt.

1903-03-03 04:53:48

Gesetzliche Nationalisierung der Wasserkraft

1916 erlangten der Bund und die Kantone mit dem Wasserrechtsgesetz (WRG) die Zuständigkeit für die Nutzung der Wasserkraft zur Stromerzeugung.

1905-01-01 08:50:20

Gründung des SHS

Der gemeinnützige Verein Schweizerischer Heimatschutz setzt sich für die Förderung der Baukultur und des architektonischen Erbes in der Schweiz ein.

1907-09-01 22:16:42

Wasserstrasse über den Splügenpass geplant

Um eine transeuropäische Wasserstraße zu bauen, wurde ein Kanal durch den Splügenpass entworfen, aber nie gebaut.

1909-02-01 07:19:14

Gründung des SBN

Der Schweizerische Bund für Naturschutz, heute Pro Natura, hat bis heute eine prägende Wirkung auf den Schweizer Naturschutz (pronatura.ch).

1910-09-02 05:31:23

Gründung des SWV

Der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband wurde 1910 gegründet, um die Interessen des Wassersektors, insbesondere die Nutzung der Ressource Wasser, zu vertreten.

1912-03-01 04:53:48

Einführung des Zivilgesetzbuchs

Mit der Verabschiedung des Zivilgesetzbuches im Jahre 1912 wurden die Eigentumstitel der Gewässer definiert, wodurch viele von ihrem zuvor privaten in einen öffentlichen Status überführt wurden. Das neue Privatrecht regelte auch die Eigentums- und Nutzungsrechte der Wasserkraft und die Abfallentsorgung.

1914-07-01 06:32:09

Gründung der NOK, später Axpo

Das Elektrizitätsunternehmen, das zunächst NOK (Nord-Ostschweizerische Kraftwerke) hiess, wurde von mehreren Kantonen im Zusammenhang mit der laufenden Elektrifizierung in der Schweiz gegründet. Bis 1960 lag das Hauptaugenmerk der NOK auf der Wasserkraft, später versorgte das Unternehmen aber auch mit Kernkraft und erneuerbare Energien. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, gründete die NOK die Axpo Holding AG und wurde 2012 in Axpo (Power) AG umbenannt.

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